Dienstag, 7. Juni 2011

Empfehlung.

Mirjam Müntefering - Wenn es dunkel ist, gibt es uns nicht






Dieses Buch ist wirklich fantastisch und zeigt das Leben vierer Frauen, wie es wirklich sein könnte. Keine Beschönigungen, sondern der knallharte Alltag mit all seinen Macken. Gefühle, die wechseln. Traurigkeit, Freude, verflossene Lieben - Vier Freundinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, doch trotzdem verbunden sind.

"Ein Roman, der die Alltäglichkeiten der Liebe als Schlachtfeld zeigt, auf dem nur gewinnen kann, wer mit sich selbst eins ist." (Klappentext-Zitat)

Hier eine kleine Leseprobe:


Seite 100 - 101

Ein Tropfen an der Scheibe. Fanni wartet. Bis er sich noch ein bisschen dicker saugt. schwerer wird, hinabfließt am Glas. April, April, der macht, was er will. Omas Stimme bei jedem Sinnspruch, jeder Bauernweisheit. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Pflücke die Rose, solange sie blüht. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Was lange währt, wird endlich gut.
Lange. Währt.
Fensterputzen bei diesem Wetter wäre eine echte Dummheit. Fenster anschauen. Glas anschauen. Regentropfen anschauen. Ja, das geht. Und warten. Fanni wartet. Eigentlich weiß sie nicht einmal ganz genau, seit wann.
Am Anfang war es noch etwas anders. Ganz aufgegangen in ihrem Job. Das Reisen hatte Vergnügen gemacht. Das Ungewöhnliche sehen dürfen. Das Schöne und Erschreckende festhalten. All das Fremde. Hin und wieder nachdenken, überdenken, wie es war mit Nicole. Ihre Ex, mit dem Tick für Echsen. Darüber hatten sie immer Witze gemacht, kurz nach der Trennung. Zögerliches, aber gemeinsames Lachen über die schlichte Tatsache, dass sie nun nicht mehr zusammengehörten, nach sechs Jahren.
Das Leben hatte aus Bildern bestanden, aus Reisen, aus Sprachen, aus dem Aufbügeln vorn Arbeitsblusen, die allen immer so elegant erscheinen. Meist gesehene, meist geliebte Gesichter waren Madita, Greta und Jo. Natürlich. 
Warten war etwas gewesen, das sie an der Bushaltestelle tat, im Bahnhof, am Flughafen, in Restaurants. Manchmal in einem fremden Hotelzimmer, bei Regen. Und das war auch schon das langwierigste Warten, das sie kannte. Jeder Bus, jeder Zug, jeder Flieger kam, das Essen auch. Und sogar die Sonne. Nach einer Weile ganz sicher. 
Nie hatte sie über Warten nachgedacht. Tat es einfach. 
Wieder ein Tropfen an genau der gleichen Stelle. Hunderte natürlich. Tausende. Aber an genau der gleichen Stelle. Fanni ist sich sicher. 
Am Anfang war es noch anders gewesen. Elisabeth tauchte auf wie eine Rakete am Nachthimmel. Richtete sich gen Boden und steckte alles in Fannis Umkreis in Brand. 
Vollkommener Unsinn, sich Hoffnungen zu machen. Eine Frau in einer langjährigen Beziehung. Noch dazu hetero. Noch dazu die schönste, die es auf dieser Erde gibt. Nein, Fanni kannte keine Hoffnung am Anfang, trotz des Lichterlohs um sie her. 
Wann also fing es an?
Mit dem ersten Brief? Oder dem zweiten? Mit einem Blick aus dem Hellblau. Der Verwunderung, wie schön ein blasshäutiges Gesicht sein kann, wie klar. 
Nicht mehr zu erinnern der Tag, die Stunde, der Augenblick. Als Fanni zu warten begann.
Selbstverständlich wusste sie immer, dass es ihn gab. Elisabeth erwähnt ihn selten. Aber sie trägt seinen Ring an der einen Hand und hat an manchen Abenden keine Zeit für Verabredungen , ist am Telefon kurz angebunden. 
Sein Name stand nicht ein einziges Mal in ihren Briefen, die flutwellenartig über Fanni schwemmten. Auf Briefe brauchte Fanni nie zu warten. Aber.
Fanni wartet.
Schon eine ganze Weile. Zu lange, sagt Madita immer. Weil sie selbst so lang gewartet hat. Fanni teilt die Meinung, dass zu langes Warten das letzte Fünkchen Chance auf eine Erfüllung zerbröselt. Zu langes Warten bedeutet, dass am Ende nichts mehr möglich ist. Wie bei Madita und Julia. 
Die Sache ist nur die, dass Fanni keine Ahnung hat, wie sie damit aufhören kann. Mit dem Warten. Auf Elisabeth.




Jede Seite scheint ein eigenes Buch zu sein. In jedem Satz steckt so viel Wahrheit. Klarheit. 
Wenn man dieses Buch liest, lebt man all das, was dort passiert.
Und es weckt Gedanken in einem, die so plötzlich kommen, einen jedoch weiterbringen im Finden zu sich selbst.

Aber lest es selbst und lasst euch überzeugen! :)

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